Sonderbares Deutschland

oder: 5 Dinge, die der Lieblingsjapaner in Deutschland so ganz und gar nicht erwartet hat

1. Ab zum Frühschoppen

Bier und Deutschland, das gehört einfach zusammen. Das weiß ich spätestens seit dem ich auf gefühlt jeder Auslandsreise auf meine bestimmt angeboren fabelhaften Bierkenntnisse angesprochen werde. Dass ich eigentlich gar nicht so gerne pures Bier trinke [und das obwohl ich Deutsche bin!] stößt dabei meistens auf große Überraschung. Das allein bringt den Lieblingsjapaner aber noch lange nicht aus der Fassung – schließlich trinkt er auch viel lieber Radler. Auf meine Frage, was ihn am meisten in Deutschland überrascht hat, kommen dafür große Augen und ein: „In Deutschland trinkt man Bier schon zum Mittagessen! Und fährt danach noch mit dem Auto weiter!“. Damit jetzt gar kein falsches Bild entsteht – natürlich sind wir während dem Deutschlandbesuch des Lieblingsjapaners nicht in Schlangenlinien von Biergarten zu Biergarten gefahren… aber es war eben ein warmer Herbst und den deutschen Biergarten wollten wir auf unserer Fahrt durch Deutschland dann doch nicht ganz ausschließen ;) In Japan trinkt man nur abends… außer vielleicht in der Kirschblütenzeit, aber da ist eh alles 


anders und selbst dann lässt man danach das Auto stehen. Biergärten mag ich auch… aber wahrscheinlich sollten wir uns in der Hinsicht doch ein bisschen etwas von den Japanern abschauen. 

2. Die Affenmama sitzt am Fluss....

Wir waren gerade erst durch Zufall in ein und der selben norwegischen Studentenwohnheimsküche gelandet, da erzählte mir mein damaliger Mitbewohner, dessen Namen ich mir nicht merken konnte, in brüchigem Englisch von seiner fernen Heimat - Japan. Stolz zeigt er mir die Fotos von Schneeaffen, die gar nicht weit weg vom seinem Elternhaus entspannt in der heißen Quelle abhängen. Ich bin hin und weg von der Erkenntnis, dass es 1. in Japan wilde Affen im Wald gibt und die 2. in der heißen Quelle baden. Der japanische Mitbewohner kann meine Aufregung nicht ganz nachvollziehen. Wie denn die wilden Affen in Deutschland aussehen, will er von mir wissen. Ich fange an zu lachen, die Vorstellung bei uns Zuhause an einem Affen vorbei zu laufen ist zu sonderbar. Für den Lieblingsjapaner ist das so, als hätte ich ihm gerade erzählt in Deutschland gäbe es keine Feldmäuse auf dem Feld. Am Ende sind wir beide baff - über die An- beziehungsweise Abwesenheit von Affen und vielleicht auch ein bisschen über unsere mangelhaften geographischen Kentnisse ;) 

3. Was hat die Milch da zu suchen?

Wenn man mit dem Lieblingsjapaner über eine Sache keine Witze machen kann, dann ist das japanisches Essen. Über jahrhundertelange Traditionen bis in die heutige Zeit enstanden ist die japanische Küche in ihrem Geschmack und ihrer Ästhetik mit keiner anderen Küche zu vergleichen. Da sind sich der Lieblingsjapaner und ich einig. Inwieweit man mit diesen Traditionen kreativ neu verfahren kann - da liegt der Knackpunkt.

Ich werde nie das Gesicht des Lieblingsjapaners vergessen, als ich ihm zum ersten Mal von einem meiner Lieblingsgerichte erzählt habe: süßer Milchreis. Nur knapp am Herzinfarkt vorbeigeschlittert, konnte sich der Lieblingsjapaner gerade noch so wieder fangen, nur um mich mit großen Augen anzustarren: Was um alles in der Welt hat Milch in Reis zu suchen?! Das ist ja schon fast Blasphemie! Dass wir Rucola und Firschkäse mit Reis umwickeln und das dann Sushi nennen findet er schon unverständlich genug aber MILCH? In REIS? Ich freue mich schon wahnsinnig auf den Tag, an dem wir zum ersten Mal cremig-süßen-warm-köstlichen Milchreis zusammen essen werden und der vielleicht - hoffentlich - doch nicht so abstoßend ist, wie erwartet ;) 

4. Die Authentizität der Deutschen Bahn

Deutschland, das Land der hart arbeitenden Biertrinker und pünktlichen Fußballfanatiker. Sagt man sich doch so… Während des Deutschlandbesuchs des Lieblingsjapaners schien sich jedes Klischee Stück für Stück zu erfüllen – erst das Bier zum Mittagessen, danach die schreienden Fußballfans im Zug und dann… sollte eigentlich die pünktliche Zugheimfahrt kommen. Die deutsche Bahn präsentierte sich aber von ihrer authentischsten Seite und wartete extra für den japanischen Besuch mit einer knapp


einstündigen Verspätung auf. Damit auch der Besuch mal einen Eindruck davon bekommt, wie das so läuft hier.. Statt sich über diesen authentischen Einblick in den deutschen Alltag zu freuen, ist der Lieblingsjapaner verwirrt. Wie kann es sein, dass im vermeintlichen Ursprungsland der PÜNKTLICHKEIT Zuggäste ohne Erklärung eine Stunde warten müssen. In Japan entschuldigt sich die Bahnfirma schon, wenn der Zug ausversehen 20 Sekunden zu früh den Bahnhof verlässt. Ich gebs zu, das mit den deutschen Zugverspätungen verwirrt nicht nur den Lieblingsjapaner…

5. Lass dich drücken!

Egal wann ich wo wie im Ausland war - Deutsche habe ich wirklich überall getroffen. Und so kam es, dass in meinem Freundeskreis während meines Auslandsjahres in Norwegen nicht nur Japanisch, Spanisch oder Norwegisch gesprochen wurde, sondern vor allem auch einfach Deutsch. So stammen die Kenntnisse des Lieblingsjapaners über Deutschland wahrscheinlich vor allem aus diesem Jahr und weniger aus seinem zweiwöchigen Deutschlandbesuch vor eineinhalb Jahren. Und wie das so ist während eines Auslandsjahrs - niemand kennt irgendwen und jeder ist irgendwie ein bisschen verloren - waren wir alle sehr schnell sehr enge Freunde. Man sieht sich jeden Tag, teilt Lachen und Weinen und umarmt sich zu jeder Gelegenheit wenn man sich wiedertrifft - also täglich gefühlt 10 Mal ;) Ich fand das toll, meine eigene kleine (zugegeben deutsch geprägte) Norwegen-Familie. Der Lieblingsjapaner freute sich auch über die neugewonnen Freundschaften, nur die ganze Umarmerei machte ihm Anfangs zu schaffen. Besonders unter Männern. In Japan umarmt man sich für gewöhnlich nicht. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, zum Beispiel in einer Partnerschaft, aber ich habe noch nie gesehen, wie der Lieblingsjapaner eines seiner Familienmitglieder umarmt. Selbst nach langem Auslandsaufenthalt nicht. Deswegen versteifte der Lieblingsjapaner die ersten Monate im neuen Land regelmäßig zur Salzsäule, wenn mal wieder ein herzlicher Deutscher ankam und ihn einfach so in die Arme schloss. Aber Übung macht ja bekannterweise den Meister und Umarmungen gehören mittlerweile zum Standardrepertoire des Lieblingsjapaners ;) 

 

Welche deutschen Eigenarten fallen euch oder euren Freunden auf? 


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