Albtraumtagablenkung

07.04.2018

Kofferschleppen – Festklammern – Hinauszögern – Zerbrechen …. Der Tag, dieser Albtraumtag ist vorbei. Jedes Mal gleich surreal und unendlich schwer. Jetzt will ich nicht mehr an ihn denken müssen, diesen Tag, wohlwissend, dass er sich wahrscheinlich noch in gefühlt unendlicher Ausführung wiederholen wird. Gewöhnen kann man sich daran nicht, nie, eher wird es jedes Mal vielleicht sogar ein bisschen schlimmer. Was hilft ist Ablenkung – ein YouTube-Video nach dem anderen, WhatsApp-Nachrichten und Filme – je mehr desto besser, bloß nicht zu viel nachdenken.

 

Ganz akut helfen auch nette Flughafenbekanntschaften, die mit Reisegeschichten und Handyfotos für kurze Zeit die Abschiedsmelancholie vertreiben. Dieses Mal: Zwei nette deutsche Studentinnen in der Check-In Schlange. Beide kennen sich gegenseitig auch nicht, haben genau die gleiche Verbindung bis nach Frankfurt, studieren auch Lehramt (natürlich) und erzählen Geschichten von Erasmus, Couchsurfing und internationalen Beziehungen. Immer wieder ziemlich amüsant, wie weit verbreitet die eigenen, als so wahnsinnig individuell und einzigartig empfundenen Erfahrungen doch sind. ;) Angekommen in Shanghai wartet ein 13 stündiger Aufenthalt auf uns – 13 Stunden, in denen ich erwarte heulend auf irgendeiner Flughafenbank zu kauern. Check-In-Schlangen-Bekanntschaften können solche Pläne schon mal gehörig umwerfen. Die Älteste und gleichzeitig Abenteuerlustigste unserer kleinen Spontan-Reisegruppe beginnt Geschichten von gratis verteilten Hotelzimmern zu erzählen. Wir anderen zwei sind skeptisch über den Erfolg dieses Plans. Schlussendlich stürmt die Abenteuerlustige einfach los und bequatscht den Air-China-Mann, der wahrscheinlich viel lieber Zuhause auf dem Sofa wäre, als Nachts am Flughafenschalter.


Vielleicht war es die Müdigkeit des Schaltermitarbeiters oder auch einfach die reine Großzügigkeit von Air-China, aber fünf Telefonate später bekommen wir einen kleinen Zettel über die Theke gereicht. Ein Shuttle für uns sei organisiert, wir sollten nur den Zettel vorzeigen – was auch immer auf dem drauf steht. „Everything for free!“ grinst der Schaltermitarbeiter und hinterlässt mit seinem Grinsen leichtes Magengrummeln bei uns. Wer weiß, wie „for free“ das wirklich sein wird. Wir begeben uns an besagten Ort und ein heruntergekommener Kleintransporter, Typ „Banküberfall“ fährt vor. Wir wedeln mit dem Zettel und zwei chinesische Männer beginnen unsere Koffer und unsere Spontan-Reisegruppe einzuladen. Wir düsen 20 Minuten durch die Nacht, Irgendwo im Nirgendwo, ohne zu wissen, wo wir eigentlich hingebracht werden. Das Adrenalinlevel steigt mit jedem zurückgelegtem Kilometer. Plötzliche Steilkurve und wir sind da – vor einem Hotel, das glücklicherweise normaler aussieht als erwartet. Die zwei stummen Fahrer tragen unser Gepäck hinein und wir bekommen Zimmerschlüssel und Frühstückcoupons überreicht. Vor Erleichterung ist unsere Spontan-Reisegruppe nur noch am Kichern. Es folgt die wohl schönste heiße Dusche meines Lebens und endlich wieder ein weiches Bett. Extrem viel ausgeschlafener als erwartet nehmen wir am nächsten Morgen unser Air-China-gesponsertes Hotelfrühstück ein und werden pünktlich mit einem Shuttlebus wieder zum Flughafen gekarrt. Einfach so. Weil sich Dreistigkeit wohl doch manchmal auszahlt?

 

Chinesische Hotelabenteuer eignen sich wirklich hervorragend als Albtraumtagablenkung. 


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